Mittwoch, 31. Oktober 2012

Kapitel 3.8 – Kredite und Geldanlagen

Auszug aus dem Buch »Gradido – Natürliche Ökonomie des Lebens«


»Wie könnt ihr große Beträge finanzieren, wenn das Geld vergänglich ist?« – »Durch Kredite. Beide Parteien haben ihren Vorteil dabei. Der Kreditgeber erhält zum vereinbarten Zeitpunkt sein volles Geld zurück. Hätte er keinen Kredit gegeben, wäre sein Geld durch die Vergänglichkeit weniger geworden. Der Kreditnehmer bekommt einen zinsfreien Kredit. Eine klassische WIN-WIN-Situation.«
– Joytopia

Kredite und Geldanlagen muss es in jedem Wirtschaftssystem geben. Es gibt immer Zeiten, in denen man mehr einnimmt als man ausgibt und die Überschüsse für spätere Zeiten aufbewahren will. Umgekehrt gibt es Situationen, in denen man Geld benötigt, das man momentan nicht hat. In einem Geld- und Wirtschaftsmodell, das den Kreislauf von Werden und Vergehen von Anfang an integriert, muss dem Kreditwesen dafür eine besondere Beachtung geschenkt werden.

Wie immer lassen wir uns auch hier von der Natur inspirieren. Stellen Sie sich bitte zwei Bauern vor, die einen Naturalienkredit miteinander vereinbaren. Der eine Bauer, wir nennen ihn Franz, hat dieses Jahr Kartoffeln angebaut. Die Ernte ist gut, und er kann mehr ernten als er braucht. Die überschüssigen Kartoffeln würden mit der Zeit altern, und nach einem Jahr wären sie nur noch halb so viel wert, wie die gleiche Menge neuer Kartoffeln. Der andere Bauer, Paul, hat dieses Jahr keine Kartoffeln angebaut, braucht jedoch welche, um gut über den Winter zu kommen. Sie vereinbaren also, dass Franz dem Paul eine bestimmte Menge Kartoffeln gibt. Paul, der im kommenden Jahr Kartoffeln anbauen will, verspricht dem Franz nächstes Jahr dieselbe Menge Kartoffeln zurückzugeben.

Welche Kartoffeln wird Paul zurückgeben, die alten runzligen Kartoffeln oder neue? Selbstverständlich gibt er neue Kartoffeln zurück. Denn zum einen hat er die alten Kartoffeln bereits verbraucht; und zum anderen hatte Franz ihm ja neue Kartoffeln geliehen und will selbstverständlich neue Kartoffeln zurückbekommen.

Franz und Paul haben sich mit diesem Naturalienkredit eine WIN-WIN-Situation geschaffen. Franz, der Kreditgeber, konnte sich den Wert der frischen Kartoffeln erhalten, und Paul, der Kreditnehmer, bekam einen zinslosen Kredit. Kein Mensch würde bei diesem Beispiel auf die Idee kommen, dass Paul dem Franz eine andere Menge Kartoffeln zurückgeben müsse, als die, die er erhalten hatte.

Analog dazu funktionieren Kredite in der Natürlichen Ökonomie des Lebens. Der Kreditgeber gibt dem Kreditnehmer einen (voraussichtlich) zinslosen Kredit und erhält die gleiche Summe zum vereinbarten Zeitpunkt zurück. Zinsen sind zwar nicht verboten, aber da viele Leute ihr überschüssiges Geld erhalten möchten, wird das Kreditangebot so groß sein, dass Zinsen am Markt keine Chance haben werden. Möglicherweise wird es sogar negative Zinsen geben, d.h. der Kreditgeber erhält einen geringeren Betrag zurück, als er ausgeliehen hatte. Selbst dann hat er noch ein Geschäft gemacht. Denn wenn er das Geld nicht verliehen hätte, wäre es durch die Vergänglichkeit nach ein paar Jahren praktisch ganz weg gewesen.

Völlig neue Möglichkeiten für die Lebensplanung und -gestaltung ergeben sich hierdurch. In jungen Jahren kann man sein Haus zinsfrei oder sogar noch günstiger finanzieren. Man kann für die Rente ansparen, um am Lebensabend mehr zur Verfügung zu haben, als nur das Grundeinkommen. Es können Sabbatjahre geplant werden, also Zeiten in denen man nicht arbeitet und dabei weiterhin einen hohen Lebensstandard genießt. Firmengründungen lassen sich mit geringem Risiko finanzieren. Kurzum: das Kreditwesen schafft immer WIN-WIN-Situationen für alle.

Wie wird sich unser neues Geldmodell auf Lebensqualität, Arbeitsklima und Produktivität der Menschen auswirken? Davon handelt der nächste Abschnitt.

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