Mittwoch, 31. Oktober 2012

Kapitel 3.14 – Das Mädchen, das die Welt für fünf Minuten zum Schweigen brachte

Auszug aus dem Buch »Gradido – Natürliche Ökonomie des Lebens«


Geboren und aufgewachsen in Vancouver, Kanada, gründete Severn Suzuki mit gerade mal neun Jahren die ECO (Environmental Children's Organisation). Als sie zwölf war, gelang es ihr und drei Mitstreitern, das Geld zusammenzubringen um anno 1992 an den Earth Summit in Rio de Janeiro zu reisen. Sie zeigte auf, wie die diversen Umweltprobleme aus der Sicht Jugendlicher aussehen.


Hier ihre Rede ins Deutsche übersetzt:


»Mein Name ist Severn Suzuki, und ich spreche im Namen der ECO "Enviromental Children's Organization". Wir sind eine Gruppe Elf- bis Zwölfjähriger aus Kanada, welche versuchen, einen Unterschied zu bewirken, Vanessa Suttie, Morgan Geisler, Michelle Quigg und meine Wenigkeit.

Ganz allein haben wir das Geld aufgebracht, um 6000 Meilen zu reisen und Euch Erwachsenen zu sagen, dass Ihr etwas ändern müsst. Ich bin gekommen ohne Hintergedanken. Ich kämpfe für meine Zukunft. Eine Zukunft zu verlieren ist nicht dasselbe, wie eine Wahl zu verlieren oder ein paar Punkte im Aktiengeschäft. Ich spreche hier im Namen aller zukünftigen Generationen. Ich spreche im Namen der verhungernden Kinder dieser Welt, deren Schreie ungehört verhallen. Ich spreche für die zahllosen Tiere, welche auf diesem Planeten verenden, weil es für sie keinen Platz mehr gibt. Wir können es nicht verantworten, dass sie nicht gehört werden.

Ich fürchte mich in die Sonne zu gehen wegen des Ozonlochs. Ich habe Angst die Luft zu atmen, weil ich nicht weiß, was für Chemikalien sie enthält. Früher ging ich mit meinem Vater fischen, bis wir dann vor einigen Jahren Fisch fingen, der voller Krebs war. Und jetzt hören wir gar von Tieren und Pflanzen, welche aussterben – für immer verschwinden.

Ich habe davon geträumt, Herden wilder Tiere, Dschungel und Regenwälder voller Vögel und Schmetterlinge zu sehen, doch jetzt frage ich mich, ob dies alles überhaupt noch existieren wird, wenn meine Kinder es einmal sehen möchten.

Mussten Sie sich über solche Sachen Gedanken machen, als Sie in meinem Alter waren? All dies geschieht vor unseren Augen, und dennoch reagieren wir, als ob wir noch alle Zeit der Welt hätten und alle Lösungen.

Ich bin nur ein Kind und ich habe nicht all die Lösungen, aber ich möchte, dass Sie realisieren, dass auch Sie sie weder haben noch kennen. Sie wissen nicht, wie das Ozonloch geschlossen werden kann. Sie wissen nicht, wie man Lachs in einen ausgetrockneten Fluss zurückbringt. Sie wissen nicht, wie die ausgestorbenen Arten zurückgeholt werden könnten. Und Sie können uns die Wälder nicht zurückbringen, welche einmal da waren, wo jetzt Wüste herrscht.

Wenn Sie nicht wissen, wie Sie all dies rückgängig machen können, dann hören Sie auf, es zu zerstören!

Hier mögen Sie zwar Delegierte Ihrer Regierungen sein, Geschäftsleute, Organisatoren, Reporter oder Politiker, aber in Wirklichkeit sind Sie Mütter, Väter, Brüder und Schwestern, Tanten und Onkel - und Sie alle sind jemandes Kind! Ich bin nur ein Kind und weiss doch, dass wir alle Teil einer Familie sind, die 5 Milliarden Mitglieder zählt, 30 Millionen Species, und wir teilen alle dieselbe Luft, dasselbe Wasser und denselben Grund und Boden – und daran werden weder Grenzen noch Regierungen je etwas ändern.

Ich bin zwar nur ein Kind und doch weiß ich, dass wir alle in einem Boot sitzen und vereint, mit einem Ziel vor Augen handeln sollten. In meinem Ärger bin ich nicht blind und trotz meiner Furcht habe ich keine Angst, der Welt zu sagen, wie ich mich fühle. In meinem Land produzieren wir so viel Abfall; wir kaufen und werfen weg, kaufen – werfen weg, kaufen – werfen weg. Und trotzdem wollen wir nördlichen Länder nicht mit den Bedürftigen teilen. Selbst wenn wir mehr als genug haben, fürchten wir uns vor dem Verlust unseres Wohlstands und davor, zu teilen.

In Kanada leben wir ein privilegiertes Leben mit Essen im Überfluss, Wasser und einem Dach über dem Kopf – wir haben Uhren, Fahrräder, Computer und Fernseher.

Vor zwei Tagen waren wir echt geschockt hier in Brasilien, als wir etwas Zeit mit den Straßenkindern verbrachten. Eines dieser Kinder sagte zu uns: "Ich wollte ich wäre reich, denn dann würde ich all den Straßenkindern Essen, Kleider, Medikamente, ein Dach über dem Kopf, Liebe und Zuneigung schenken."

Wenn ein Straßenkind, das nichts hat, bereit wäre, zu teilen, warum sind wir, die wir alles haben, immer noch so gierig? Ich kann nicht aufhören daran zu denken, dass diese Kinder nicht älter sind als ich und dass es einen unglaublichen Unterschied macht, wo man geboren wird, und dass ich eines dieser Kinder sein könnte, das in den Favelas von Rio lebt, oder ein verhungerndes Kind in Somalia, ein Kriegsopfer im Mittleren Osten oder ein Bettler in Indien.

Ich bin nur ein Kind und doch weiß ich, was für ein wundervoller Ort diese Erde sein könnte, würden wir all das Geld, welches wir in Kriege stecken, dafür verwenden, der Armut ein Ende zu setzen und Lösungen in Bezug auf unsere Umweltprobleme zu finden.

In der Schule, ja selbst im Kindergarten, bringt Ihr uns bei, wie wir uns zu verhalten haben. Ihr lehrt uns:

·      nicht mit anderen zu kämpfen
·      Probleme zu lösen
·      andere zu respektieren
·      unseren Müll zu entsorgen
·      andere Lebewesen nicht zu verletzen
·      zu teilen
·      nicht gierig zu sein

Warum um alles in der Welt tut Ihr genau die Dinge, die Ihr uns lehrt, nicht zu tun?

Vergessen Sie nicht, warum Sie solche Konferenzen abhalten und für wen Sie es tun - wir sind Ihre eigenen Kinder. Sie entscheiden, in was für einer Welt wir aufwachsen. Eltern sollten ihre Kinder beruhigen können indem sie sagen "alles ist gut", "wir tun unser Bestes" und "das ist nicht das Ende der Welt". Ich denke jedoch kaum, dass Sie das weiterhin zu uns sagen können. Sind wir überhaupt noch auf Ihrer Prioritätsliste aufgeführt?

Mein Vater pflegte zu sagen: "Du bist nicht was Du sagst, sondern was Du tust". Was Sie tun bringt mich nachts zum weinen. Ihr Erwachsenen sagt, ihr liebt uns. Ich fordere Sie heraus, bitte lassen Sie Ihre Handlungen Ihre Worte widerspiegeln.

Danke, dass Sie mir zugehört haben.«
– Severn Suzuki


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen