»Freies Schenken ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Wirtschaftssystems.
Während es früher darauf ankam, möglichst hohe Gewinne zu erzielen, gilt es
beim Freien Schenken mit möglichst wenig Aufwand sich selbst und anderen möglichst großen Nutzen oder möglichst große
Freude zu bereiten. Dabei ist eine direkte Gegenleistung nicht so wichtig, weil
Nutzen und Freude auf den Frei Schenkenden mehrfach zurückfallen.«
– Joytopia
Ähnlich wie die Freiheit ist auch das Thema »Schenken« bei
uns sehr stark emotional belegt. Es gibt Dinge, die kann man nicht kaufen. Man
bekommt sie geschenkt – oder auch nicht. Dazu gehören Liebe, Anerkennung,
Vertrauen, Aufmerksamkeit, Dank..., also im wesentlichen die immateriellen
Güter, die das Leben lebenswert machen. Doch auch materielle Dinge werden
manchmal noch geschenkt. In allen Kulturen gibt es Schenk-Rituale und
Schenk-Feste. Kinder setzen sich ganz selbstverständlich bei ihren Eltern an
den Tisch, um gemeinsam mit ihnen zu essen. Und wenn Freunde einander einladen,
gehört das gemeinsame Essen als Geste der Gastfreundschaft sehr oft mit dazu.
There is a free lunch!
Kaum ein anderes volkswirtschaftliches Dogma richtet wohl
mehr Unheil an, als der kleine unscheinbare Satz »There is no free lunch« (Es
gibt kein kostenloses Mittagessen). Diese volkswirtschaftliche Grundannahme meint,
dass alles seinen Preis habe. Damit ist alles auf dieser Welt zur käuflichen
Ware geworden. Alles, was dem Menschen in seinem innersten heilig ist, seine
Sehnsüchte, sein Wunsch nach Liebe und Geborgenheit, sein Urvertrauen, seine
Gastfreundschaft..., mutiert dadurch zu einem Marktplatz oder wird als naive
Sozialromantik abgetan.
Der Satz »There is no free lunch« und die dahinter stehende
Philosophie des Käuflichen hat schon viel Vertrauenspotenzial in uns zerstört.
Inzwischen sind wir alle »gebrannte Kinder«. Hinter jedem Geschenk vermuten wir
eine Absicht. – »Was will der andere von mir?« – »Welches Gegengeschenk
erwartet er oder sie von mir?« – »Wie kann ich das wieder gutmachen?« – So oder
so ähnlich lauten die Gedanken, die uns ganz automatisch durch den Kopf
schießen. Es erscheint uns unangebracht, ein Geschenk »einfach so« anzunehmen.
Und mal ehrlich: können wir noch ganz ohne Erwartung schenken? Erwarten nicht
auch wir etwas zurück zubekommen?
Erwartungen können niemals im Hier und Jetzt befriedigt
werden. Sie beziehen sich immer auf die Zukunft. Wenn wir etwas schenken in der
Erwartung, später etwas zurück zubekommen, entsteht dadurch ein
Schuldverhältnis. Wir bringen den anderen in unsere Schuld, ganz gleich ob er
sich dessen bewusst ist oder nicht. Der Satz »Ich schulde dir Dank« bringt es
auf den Punkt. Sobald wir mit einer Erwartungshaltung schenken, haben wir uns
dem Konzept von Schulden verschrieben. Und aus dem Konzept der Schulden folgt
das System der Schuldgeldschöpfung.
Freies Schenken will genauso wiedererlernt sein wie
bedingungslose Liebe. Auch Liebe ist heutzutage vielfach mit Erwartungen
verbunden. Leider. Denn erst wenn wir unsere Erwartungen loslassen, können wir
wahre Liebe erfahren. »There is no free lunch«, dieser kleine hinterhältige
Satz macht aus jedem Geschenk einen Handel und aus Liebe Prostitution. Er hat
mit dazu beigetragen, die Menschheit von ihrem wahren Wesen zu trennen und ihre
wertvollsten Schätze auf einem globalen Basar zu Markte zu tragen.
Wie können wir das freie Schenken wieder lernen? Wie können
wir uns aus den Verstrickungen der bewussten und unbewussten Erwartungen
befreien? Wie können wir wieder unschuldig – schuldenfrei – werden? Wie immer
hilft uns auch hier die Bionik, die Beobachtung der lebendigen Natur. Wir
können das freie Schenken von denen abschauen, die es noch nicht verlernt
haben: Tiere und kleine Kinder zeigen ganz offen ihre Bedürfnisse. Wir
Erwachsenen nennen dies »betteln« und versuchen es ihnen abzuerziehen. Doch was
ist falsch daran, seine Bedürfnisse zu zeigen? Wäre unsere Kommunikation
untereinander nicht viel einfacher, wenn wir ganz offen sagen würden, was wir
uns wünschen, ohne beleidigt oder beschämt zu sein, wenn die anderen unsere
Wünsche nicht erfüllen?
Doch Tiere und kleine Kinder zeigen nicht nur ganz offen
ihre Bedürfnisse. Sie schenken uns auch ihre bedingungslose Liebe, ganz ohne
Hintergedanken – zumindest, solange wir ihnen noch keine Erwartungshaltung
antrainiert haben. Das Lächeln eines kleinen Kindes ist ein Geschenk für uns –
einfach so. Das Kind ist noch nicht in der Lage zu denken: »wenn ich Mama jetzt
ein Lächeln schenke, dann gibt sie mir zu essen«. Und es denkt sich auch nicht:
»wenn Mama mir jetzt die Brust gibt, dann muss ich dafür aber nachher ganz brav
sein und durchschlafen«.
Zum freien Schenken gehören also zwei Dinge: einerseits
seine Bedürfnisse offen zu kommunizieren und andererseits freiwillig ohne
Hintergedanken zu schenken, wenn einem danach ist. Je mehr wir die Qualität des
freien Schenkens wieder erlernen, desto leichter fällt es uns, wahren Wohlstand
für alle zu schaffen.
Wie kann freies Schenken in einer Gemeinschaft
funktionieren? Lassen Sie mich dazu eine Geschichte erzählen...
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