Es war einmal ein kleines globales Dorf. Dort lebten
allerlei geschickte Leute: Bauern, Müller, Bäcker, Metzger, Maurer,
Zimmerleute, Lehrer, Heiler, Politiker und viele andere Berufe. Für jeden
Bedarf gab es auch einen Beruf, der diesen Bedarf decken konnte. Die Natur
beschenkte die Bewohner mit gutem Wetter. Regen und Sonnenschein wechselten
sich ab, so dass alles gut wuchs und gedieh.
Eigentlich wäre es das Paradies auf Erden, gäbe es da nicht
einen seltsamen Brauch, den vorwiegend die Politiker pflegten: sie liefen mit
Töpfen herum und nötigten die anderen Bewohner, Geld hinein zu werfen. Es gab
große Töpfe und kleine Töpfe, Haupttöpfe und Nebentöpfe, Töpfe ohne Deckel und
gedeckelte Töpfe..., jeder Topf hatte seinen bestimmten Zweck.
Ach ja, beinahe hätte ich es vergessen: es gab auch noch
einen Berufsstand der sich »Bankster« nannte. So ganz genau wusste man nicht,
was die eigentlich taten. Doch sie hatten zuvor den Politikern und den anderen
Bewohnern das Geld geliehen, damit diese untereinander Handel treiben und vor
allen die Töpfe der Politiker füllen konnten. Welch segensreicher Berufsstand!
Ohne die Bankster hätten die Bewohner zwar alles herstellen können, was in dem
kleinen globalen Dorf gebraucht wurde. Ja, sie hätten sogar einige Luxusgüter
herstellen können, die zwar nicht unbedingt gebraucht würden, aber das Leben
verschönern und Spaß machen. Aber wie hätten sie ihre Produkte verkaufen können
ohne Geld? Dieses wahrhaft existenzielle Problem lösten ihnen die Bankster
gerne, in dem sie ihnen Geld liehen.
Es war genial: auf einmal florierte der Handel. Jeder konnte
seine Produkte verkaufen, und alle waren so glücklich, dass niemand auf die
Idee kam zu fragen, woher denn die Bankster eigentlich das Geld hatten. Die
Frage war auch nicht wirklich wichtig; denn es funktionierte alles bestens, und
jeder andere Berufsstand hatte ja auch so seine Berufsgeheimnisse...
Einmal im Jahr forderten sie Zinsen von allen Bewohnern, die
Geld von ihnen geliehen hatten, insbesondere von den Politikern, die diese
willig aus ihren Töpfen bezahlten. Zunächst fiel das nicht auf, doch dann
wurden die Schulden immer höher und die Töpfe immer leerer. Wir wissen nicht
ganz genau, was die Bankster mit den vielen Zinsen machten. Vermutlich
investierten sie diese in lukrative Wachstums-Märkte. Hin und wieder passierte
es, dass sich einige Bankster verkalkulierten und drohten, Pleite zu gehen. Die
Politiker unternahmen alles, um sie zu retten – bis dann eines Tages alle Töpfe
leer waren. Der Oberpolitiker mottete die kleineren Töpfer ein, nahm den
»Staatstopf«, der auch leer war, unter den Arm und rief alle Repräsentanten der
Bewohner an einen runden Tisch.
„Der Topf ist leer“, sprach der Oberpolitiker, „wir müssen
den Gürtel enger schnallen. Wir haben viel zu lange über unsere Verhältnisse
gelebt. Anstatt pflichtbewusst alle unsere Zinsen an die Bankster zu bezahlen,
haben wir Straßen gebaut, kranke und alte Menschen versorgt, unsere Kinder in
die Schule geschickt und viele andere unproduktiven Dinge finanziert. Damit
muss jetzt Schluss sein. Denn der Topf ist leer.“
Resigniert stimmten die Einwohner zu. Gemeinsam hatten sie
zwar alle Fähigkeiten und Ressourcen, um ein angenehmes Leben für alle zu
gewährleisten. Doch ohne Geld schienen jedem Einzelnen die Hände gebunden zu
sein. Keiner konnte mehr seine Rechnungen bezahlen, geschweige denn Löhne für
die Mitarbeiter. Die Folge war Arbeitslosigkeit, Armut und Hunger.
"Ich hab eine Idee, wie wir den Topf füllen können, so
dass genug für alle da ist!", meldete sich ein kleines Mädchen. Eigentlich
hätte sie gar nicht an der Versammlung teilnehmen dürfen. Doch ihre Eltern
konnten sich keine Kinderbetreuung mehr leisten und hatten sie deshalb
mitgenommen.
"Wozu brauchen
wir das Geld der Bankster?
Stellt euch vor, sie
haben alles Geld – und keiner braucht es!
Lasst uns ab sofort unsere Gaben und Fähigkeiten einander
schenken! Dann werden alle satt, haben Freude, und es wird noch eine Menge
übrig bleiben. Ab jetzt fragen wir nicht mehr, was wir aus dem leeren Topf
herausnehmen können, sondern was jeder von uns in den gemeinsamen Topf
einbringen kann.“
Der Anführer lachte verächtlich und murmelt etwas von
kindischer »Sozialromantik«, schließlich seien alle arm und niemand hätte etwas
zu verschenken.
"Wirklich nicht?" fragte das Mädchen, "Wir
haben doch alle Berufe: Bauern, Bäcker, Handwerker, Künstler, Wissenschaftler
und vieles mehr. Wollen wir etwa hungern, bloß weil kein Geld da ist? Das
könnten wir sowieso nicht essen. Wenn jeder tut, was ihm am besten liegt und
seine Leistungen schenkt, dann sind wir gemeinsam reich, und wir haben einen
übervollen Topf, aus dem jeder satt wird!"
Das überzeugte die Leute. Der Oberpolitiker wurde überstimmt, und sie machten sich ans Werk. Nach kurzer Zeit kehrte der Wohlstand zurück in das kleine globale Dorf. Der gemeinsame Topf wurde übervoll. Es herrschte überfließende Fülle.
Als die Bankster das hörten, gefiel ihnen das überhaupt
nicht. Sie hatten zwar alles Geld, wollten aber auch noch die Zinsen kassieren,
die überhaupt nie existiert hatten. Als sie dann noch die Grundstücke und
Immobilien einforderten, mit denen die Schulden besichert waren, flog ihr
Schwindel auf. Dabei hatten sie großes Glück, denn die Bewohner des Dorfes
waren von Natur aus gutmütig und beschlossen, von einer Bestrafung abzusehen.
Schließlich hätten alle in diesem Spiel mitgespielt. Die ehemaligen Bankster
bekamen dann wie alle anderen das Recht der Bedingungslosen Teilhabe, sich mit
ihrem vollen Potenzial in die Gemeinschaft einzubringen und dafür von der
Gemeinschaft mitversorgt zu werden.
Einige Menschen leisteten deutlich mehr als andere. Das war
nicht schlimm, denn die Leistungen waren freiwillig, und es war ja genug für
alle da. Man beschloss, dass Leistungen belohnt oder »bedankt« werden sollen.
Allerdings sollte nie mehr Geld durch Schulden geschöpft werden. Das mutige
Mädchen, das den Wandel initiiert hatte und deshalb großes Ansehen genoss,
schlug vor, ein neues Geldsystem nach dem Vorbild der Natur zu entwickeln.
Soweit die Geschichte.
Können Sie sich vorstellen, dass ein Kind die Welt verändern
kann? Lassen Sie uns das Thema Schenkwirtschaft kurz unterbrechen für die Rede
die die zwölfjährige Severn Suzuki vor den Vereinten Nationen gehalten hat...
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